Integration von Geflüchteten

Ausbildung und Spracherwerb verzahnen

Ausgezeichnet
Am 11. Oktober 2021 wurde bei der Verleihung des Niedersächsischen Integrationspreises unser Modellprojekt „Ausbildung 1+2 – starten mit Erfolg“ in Kooperation mit der BBS Wechloy und pro:connect e.V. mit dem Sonderpreis des Bündnisses „Niedersachsen packt an“ ausgezeichnet.
Bei der Integration von zu uns geflüchteten Menschen gefährden sprachliche Defizite häufig den Erfolg einer beruflichen Ausbildung. Gerade in der Berufsschule können viele Geflüchtete dem theoretischen Unterricht nicht ausreichend folgen. Lehrkräfte merken, dass es an Lese- und Textverständnis mangelt, wenn sie die beruflichen Inhalte vermitteln wollen. Es fehlt an (fach-)sprachlichen Kompetenzen. Doch einfache Deutschkurse und so genannte ausbildungsbegleitenden Hilfen können diese Lücken nicht schließen.
In Kooperation mit den Berufsbildenden Schulen Wechloy in Oldenburg und dem Verein pro:connect (ebenfalls Oldenburg) haben wir deshalb das Projekt „Ausbildung 1+2“ initiiert. In Niedersachsen ist dieses Modellvorhaben einmalig, es wird vom Kultusministerium unterstützt.
Die „2“ im Namen des Projekts steht für zweijährige Ausbildungsberufe (zunächst „Verkäufer/in“ und „Fachlagerist/in“;  die “1” für eine Verlängerung Ausbildungszeit um ein Jahr. Die längere Ausbildungszeit wird genutzt, um berufliche Ausbildung mit (fach-)sprachlicher Förderung zu kombinieren und außerdem ein umfassendes Betreuungsangebot anzubieten.

Die Vorteile dieses Modells

  • Unternehmen investieren zwar mehr Zeit und auch Geld in die Berufsausbildung; sie können dadurch aber einen Teil ihres Fachkräftebedarfs decken und Mitarbeiter an sich binden.
  • Zu uns geflüchtete junge Menschen erhalten von Anfang an die volle Ausbildungsvergütung, werden individuell betreut und erhöhen deutlich ihre Chancen auf einen Ausbildungserfolg und damit auf eine spätere Tätigkeit als Fachkraft.

Das Verfahren

Mit einem Kompetenzfeststellungsverfahren in Kooperation von pro:connect und Sprachlehrkräften der BBS Wechloy wird bereits der spezifische Förderbedarf von Geflüchteten ermittelt und bei der Unterrichtsplanung berücksichtigt. Das stellt sicher, dass die Auszubildenden zu einem erfolgreichen Abschluss kommen.
Dabei besuchen die Auszubildenden in den ersten beiden Ausbildungsjahren die Berufsschule an drei Tagen zur intensiven Sprachförderung und Aneignung beruflicher Grundkenntnisse. Die Inhalte der zu vermittelnden Fertigkeiten des Deutschunterrichtes greifen ineinander und sind mit den Lernfeldern der Ausbildungsberufe eng verzahnt. In Abstimmung mit den Ausbildungsbetrieben werden sie bei Bedarf ergänzt, angepasst und modifiziert.

Aktueller Stand und Ausblick

Im September 2022 ist an der BBS Wechloy der vierte Durchgang des Projekts “Ausbildung 1+2” mit insgesamt 16 Teilnehmenden in den beiden genannten Ausbildungsberufen gestartet. Zum Ausbildungsstart im September 2023 starteten 18 Personen ihre Ausbildung im Projekt. Damit sind bislang insgesamt 71 Teilnehmende in der Gesamtlaufzeit registriert.
Die Auszubildenden des ersten Jahrgangs von 2019 konnten inzwischen die Abschlussprüfung im Sommer 2022 absolvieren. Die Bestehensquote von über 70% spricht für den Erfolg des Projektes. In der Sommerprüfung 2023 haben 90% der Teilnehmenden ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. 
Das Interesse und die Nachfrage an und nach diesem Ausbildungsmodell wächst in der Region stetig. In diesem Jahr soll das Projekt auf weitere Ausbildungsberufe und auch Standorte ausgeweitet werden.

Interessierte Unternehmen und berufsbildende Schulen erhalten auf Anfrage gerne weitere Informationen.
Die Idee ist übrigens nicht ganz neu: In einem ähnlichen, bereits 2016 gestarteten Projekt „Ausbildung 1+3“ hat die IHK in Coburg sehr gute Erfahrungen mit dem Modell (dort allerdings mit dreijährigen Ausbildungsberufen) gesammelt.
* Für eine bessere Lesbarkeit verwenden wir meist die männliche Form. Entsprechende Textstellen gelten selbstverständlich gleichwertig für alle Geschlechter (m/w/d).